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Lumumba oder das Lied von der hinkenden Schlecke

ein zusammenhangloses Theaterstück von Herbert Georg Ossberger, 1987 Wien

1. Akt

Szene: Ein großer Tisch mit großen Requisiten unter dem Tisch, dasselbe noch einmal, nur kleiner. Ein Raum im Raum, jeder im Publikum bekommt einen kleinen Luftballon, der zum Lumumba wird, also so angemalt ist. Ein Sprecher mit extrem selbstsicherem Auftreten erzählt die Geschichte, wie er als Kind tagelang unter den Tisch gekrochen ist, weil er so traurig war, als der heißgeliebte Luftballon zerplatzte. Aber was heißt zerplatzt, nein, der Luftballon ist gestorben und war unwiederbringlich tot. Es ist eine rührselige Geschichte und jeder spürt, wann sein Lumumba gestorben ist. Die Situation ist sehr traurig und die Meisten fragen sich, ob sie denn im richtigen Theaterstück sitzen. Die Stimme des Erzählers wird immer weinerlicher und leiser bis er nur mehr vor sich hinmurmelnd schluchzt. Die ersten Luftballons im Zuschauerraum zerplatzen und ein paar Leute lösen heimlich die Schnüre, um sich die Luftballons mit nach Hause zu nehmen. Damit die Kinder zu Hause damit spielen können. Ein großer Schwarzer kommt mit einer dicken Zigarre in der einen Hand und einem Tannenduftspray in der anderen Hand. Er ist bekleidet mit einem Baströcklein und versucht Luftballons mit der Zigarre zum Zerplatzen zu bringen, worauf er immer, wenn einer zerplatzt ist, mit dem Spray eine Duftwolke versprüht.

Auf der Bühne ist es finster geworden. Ein als Schnecke verkleideter Mann tut, als ob er an einer großen Eisatrappe schlecken würde. Er leiert den Text :"Wenn ich schlecke werde ich zur Schnecke. Immer, wenn ich schlecke, werde ich zur Schnecke. Immer wenn ich schlecke, werde ich eine Schnecke Trala la." Er wiederholt es so oft, bis ihm einfach langweilig wird und er sich aus seinem Kostüm zwingt und für sich, aber für alle gut hörbar, sagt; daß ihn das nicht mehr freut und er sich einen anderen Spaß vorstellen kann. Er fragt ins Publikum, ob es jemand gibt, der vielleicht will, daß er als Schnecke weiterschlecken soll. Und es findet sich auch einer, doch der wird einfach ignoriert und er sagt: "Na sehen sie, es will ja überhaupt niemand." Worüber sich einige finden, die sagen: "nein es gibt ja schon wen", aber auch das wird ignoriert und es entsteht ein komisches Gefühl.

Erste Pause

Vorhang

2. Akt

Die Bühne ist schwarz, ein Rednerpult mit blauen Streifen auf zart violettem Grund. Ein Mann mit strengen Scheitel beginnt eine politische Rede zu halten über die wünschenswerte weltpolitische Lage und welche Vorteile eine grenzenlose Welt hätte, wenn man von der Arbeitslosigkeit der Grenzbeamten einmal absieht. Es ist wirklich schon aus diesem Grund ein Muß, alle Grenzen aufrecht zu erhalten und wenn möglich noch neue zu schaffen, dann könnte man auf diese Weise die weltweite Arbeitslosigkeit leicht in den Griff bekommen, denn es geht ja nur um die gerechte Verteilung dessen, was sowieso niemand weiß, und außerdem ist es ja kein Wunder, daß es so geworden ist. Denn durch das Wegfallen der Grenzen wird ja alles nur noch schlimmer, nur sollte man doch endlich versuchen, auch Länder zu schaffen, wo jeder sich freiwillig in der Grenzen aufhält aber eigentlich es ja gar nicht seine Aufgabe, sich über so grenzenlose Sachen zu unterhalten, denn er ist ja nur zu dem Zwecke da, sich vorzustellen. Er sagt: "Ich bin der Dietrich Hopsasa und sehen Sie, wenn ich nicht der Dietrich Hopsasa wäre, dann wäre ich nicht da, denn wenn ich der Franz Schwanz wäre, dann wäre der Franz Schwanz hier und nicht ich. Ich aber bin der Dietrich Hopsasa und nicht der Franz Schwanz, denn ob es den Franz Schwanz überhaupt gibt, weiß ich nicht. Vielleicht kommt der Franz Schwanz nach dem Dietrich Hopsasa, aber wer wieß das schon.

Er ruft "zahlen, Herr Kellner" und nach vier Fingerschnipsen kommt der Kellner und bringt ein Telefonbuch und mit den Worten "wohl bekomms" leitet er ein, daß er in der letzten Woche 20dkg abgenommen hat. Er verwendet eine magere Zahnpasta und wenn er es durchhält, dann wird er noch öfters 20 dkg abnehmen, aber sein Kanarienvogel liegt gerade im Sterben und deshalb ist er nicht sicher, ob er nicht aus Gram wieder zunehmen wird. Vorsätze sind ja recht gut, aber er hofft doch, daß der Herr Baron Hopsasa, den richtigen Meier finden wird. Es ist ja nicht leicht, aber Hopsasa fühlt sich von den Reden des Kellners sehr eingeschränkt und würde ihm am liebsten zum Teufel jagen, aber wer weiß, ob es den Teufel überhaupt gibt. Hopsasa bricht unter Ankündigung seines Zustandes vor dem Publikum zusammen. Es erscheinen zwei Sanitäter, die sich um ihn bemühen und ihm mit einer Tafel aus Schaumgummi auf welcher Sauerstoff steht, wiederbeleben wollen, was ihnen auch gelingt. Hopsasa öffnet zögernd ein Auge und holt einmal tief Luft. Es erscheint ein Ballett, das mit müden Bewegungen einen Walzer tanzt, im Hintergrund spielt Richard Strauß seine Anfänge vor: "Also sprach Zahatrustra" und ärgert sich, daß er zwar gut anfangen kann, aber es irgendwie nicht besonders gut weitergeht. Hopsasa richtet sich auf der Tragbahre auf und stöhnt vor sich hin: "Ja, ja, der Walzerkönig. "Worüber sich Richard Strauß entsetzlich ärgert, denn er ist es leid, immer verwechselt zu werden und beschwert sich, daß wenn er gewußt hätte, daß er in einer Verwechslungskomödie mitspielen soll, doch nie sein Einverständnis gegeben hätte, denn und außerdem. Aber es interessiert niemanden und jemand aus dem Publikum wirft große Styroportomaten, die wirkungslos auf die Bühne kollern und jeder beschwert sich beim anderen, das ja eigentlich nicht wirklich was los ist. Eine Rauferei, das würde wenigstens für kurze Zeit eine Abwechslung bringen oder eine schöne Katastrophe; ein Erdbeben vielleicht oder eine Überschwemmung.

Es stellen sich alle in einer Reihe auf und im Chor entschuldigen sich die Akteure dafür, daß es eigentlich ein sehr langweiliger Abschnitt war, sich so überhaupt nichts getan hat. Einer läßt einen Schas, worüber das Publikum lacht und stürmisch applaudiert.

Es fällt der Vorhang.

3. Akt

Es kommt ein türkischer Blumenverkäufer mit einem Bund Rosen und ruft im xxxxxxxxxx ausländischen Akzent: "Krona Zeitung, Kurier, Abendpresse." Zwei Leute in einem Hasenkostüm hüpfen auf die Bühne und singen im Chor: "Ich nix kann lesen, ich nix gewesen."

Ein Mann mit Ziehharmonika erscheint von links und singt: "Leckts mi am Orsch, i geh ins Kloster, i geh ins Kloster, leckts mi am Orsch. Na, scheißn gehts ihr, i geh jetzt brunzn."

Ein Mann, als Priester verkleidet, eröffnet in hoher Stimme: "Das ist ein Verbrechen gegen den Glauben, das darf man nicht." Worauf ein junger Mann mit Nickelbrille und längeren Haaren, der an ehemalige Hippies erinnert, im Publikum aufspringt und xxxxxxx auch mit hoher Stimme fragt: "Wieso ist scheißen und brunzen vom Teufel, du Orschloch, du dreckiges du."

Es kommt ein Polizist, der mit tiefer dunkler Stimme in den Raum brüllt "Hab Ohnmacht du Rotzpippen, sunst leg ich dir eine auf, daß du den lieben Gott singen hörst."

Unruhiges Murmeln im Zuschauerraum, mancher will sogar seine Frau zum Gehen überreden, denn das ist ja nun kein Theater mehr, sondern das geht zu weit. Es erscheint ein Reservechristus und versucht, die Leute zu beruhigen, was aber alles nicht gelingt.

Erst, als eine Popgruppe mit Elektrogitarren, die wie Maschinengewehre aussehen, auf die Bühne kommt und mit dem lapidonen Song "Bum Bum schieß dich tot, hast die ganze Nase rot" von der Bühne herunter singt mit lustigen Anzügen und Helmen bekleidet, beruhigen sich die Leute, und Pfarrer und Polizist schnippen so wie das Publikum mit den Fingern und nicken anerkennend: Ja, das wird der nächste Sommerhit.

Der späte Hippie schwört dem Polizisten und dem Pfarrer, daß er ihn wirklich liebt und wenn es nicht verboten wäre, würde er sie auch heiraten, aber das verstehen die beiden anderen auch selbst, wenn sie wollen. Es würde ja leider nicht gehen und der Polizist zieht den Pfarrer am Ohr und sagt in einem schüchternen Ton "was sich liebt, das neckt sich".

Der Pfarrer zieht die Schultern hoch und streckt die Hände aus und bemerkt dazu: "Ja, das ist eben Gottesmacht." Das Publikum ruft wie aus einem Munde "na ja, dann gute Nacht". Vorhang.

4. Akt

Es kommen Straßenreiniger mit großen Besen und orangeroter Arbeitskleidung und kehren die Bühne zusammen und singen dabei monoton: "Wir machen sauber, Wir machen sauber," und so weiter.

Es kommen leicht bekleidete Zimmermädchen mit Federwisch und singen hoch und lieblich: "putzen putzen putzen putzen putzen" zusammen singen sie dann: "Ja wir machen sauber und ihr, ihr macht den Dreck, ja wir machen sauber sauber sauber putzen putzen putzen" Sie tanzen nach alten Revue-Filmen angelernte Choreografie. Ein lauter Krach läßt die ganze Szene plötzlich erstarren und ein als Teufel verkleideter Mann mit einer Weihnachtsmannmaske kommt mit einer himmelblauen Leiter von rechts herein, stellt die Leiter im Hintergrund auf und steigt hinauf und spottend ruft er von der Leiter zu den Leuten "putzen putzen sauber machen putzen putzen saubermachen".er steigt von der Leiter ab. Die Putzbrigade löst sich aus der Erstarrung und alle beginnen, wie Roboter weiter zu putzen. Aus einem billigen Kassettenrecorder tönt Bing Crosby: "I'm dreaming of a white Christman."

Ein Mann, langen Bart und das Schild Leonardo da Vinci wie einen Heiligenschein auf seinem Kopf, trägt ein übergroßes Bild der Marylin Monroe, von Andy Warhol gemacht, vor sich her und fordert die Leute zu stillen Andacht auf und ersucht sie, auf keine Ameisen zu steigen. Worauf das Publikum vollkommen unmotiviert applaudiert und sich die anderen Akteure bis auf den Leonardo da Vinci-Darsteller kleine Vogelkäfige mit Kanarienvögeln holen und diese Vögel dem Publikum zeigen. Auf der Bühne erlischt das Licht und es kommt ein arabischer Kellner, der eine Fleischpalatschinke servieren will, aber warten muß, bis die Venus, die Schaumgeborene einen Tisch auf die Bühne trägt und sich imaginär auf einem Sessel setzt. Kurz darauf erscheint ein Bauarbeiter und bringt der jungen Dame einen großen roten Abfallkübel und bietet ihr an, doch darauf Platz zu nehmen. Zögernd setzt sie sich darauf und beginnt zu essen. Der Bauarbeiter nimmt aus seiner Hosentasche eine Flasche Bier heraus und trinkt. Undeutliches Stimmengewirr hebt an und es blitzt. Eine Reisegruppe von Japanerinnen, angeführt von einem dicken, bunt bekleideten Amerikaner der 10 oder mehr Fotoapparate umgehängt hat, erscheint und sie fotografieren alles, jeden Winkel der Bühne.

Applaus kommt auf und es fällt der Vorhang. Größere Pause

5. Akt

Die Leute sitzen noch nicht alle auf ihren Sitzen und die Schauspieler vor einer himmelblau und rosaroten Märchenschloß-Landschaft. Stehend, in Prinzen- und Prinzessinnen-Kostüm, drängen sie die Leute, doch endlich Platz zu nehmen. Man möchte doch schnell weitermachen, denn auch als Schauspieler will man schließlich nach Hause und ein ganz normales Leben führen, denn der Beruf des Schauspielers ist ja schließlich und endlich ein ganz normaler Beruf wie jeder andere auch und wie kommt man dazu, nur weil sich einige Zeit lassen müssen, und dann dauert es so lange. Mit schlechtem Gewissen zwängen sich die Zuspätgekommenen schnell auf ihren Sitz.

Alle außer einem Prinz und einer Prinzessin verlassen die Bühne. Prinz und Prinzessin besprechen ganz alltägliche Dinge, die sie nach der Vorstellung machen werden und was im Haushalt noch alles erledigt gehört. Diese Szene dauert lange und es ist erfrischend, weil es ein so ganz gewöhnliches Gespräch ist, so, wie man es in der Straßenbahn hören kann, wenn sich zwei Eheleute unterhalten. Das Licht erlischt und es fällt der Vorhang.

6. Akt

Auf der Bühne stehen ein Plattenspieler und zwei große Boxen. Es liegen viele rosa Teddybären am Boden, einer neben dem anderen und sie spielen die Platte vom Film High Society.

Das mitwirkende Team kommt nach Ende der Platte auf die Bühne und verbeugt sich. Jeder wünscht sich noch einen schönen Abend und leise geht alles nach Hause.

ENDE des Stückes "Lumbumba oder das Lied der hinkenden Schlecke".